Bereits in Kita und Grundschule werden Mädchen schikaniert, die nicht ins Schönheitsideal der Industrie passen. Um das zu ändern, müssen wir alle an einem Strang ziehen!

Rollenspiel

Heute ist eine Zäsur. Wir haben Spiel des Lebens gespielt – mein Freund, meine Tochter (7), mein Sohn (11) und ich. Es macht Spaß, in andere Rollen zu schlüpfen. Ich war Sportlerin und meine Tochter Lehrerin. Es ist spät geworden. Ich räume das Spiel ab, die Kinder sollen zackig ins Bett.

Versteckspiel

Meine Tochter steht im Kinderzimmer und zieht gerade ihren Schlafanzug an. Ich nehme ihr die schmutzige Wäsche ab. Da sagt sie „Guck so mache ich immer beim Sport“. Kurzes Schweigen. „Was machst du?“ „Na wegen dem Bauch sonst ist der so dick und hässlich.“ Jetzt sehe ich erst was sie meint. Sie zieht ihren Bauch ein, wenn sie mit anderen in der Umkleide beim Sport ist.

Nichts hilft

Ich bin entsetzt, sage ihr wie wundervoll ihr Bauch ist, dass sie nichts von sich verstecken muss, dass sie einzigartig ist. Sie hält dagegen „Alle anderen sehen dünn aus. Nur ich bin dick.“ Ich versuche es weiter damit, dass es nicht wichtig ist, so auszusehen wie alle. Aber all das hilft ihr nicht.
In meiner Kindheit bekam ich das nicht – Unterstützung, einen liebevollen elterlichen Blick, Body Positivity. Da war nur Fat-Shaming, Diät-Tipps und hämische Kommentare. Ich dachte mein so anderer Umgang mit ihrem Körper macht für meine Tochter den Unterschied.

Bitte etwas höflicher!

Sie wird inzwischen seit sie 4 ist von anderen Kindern – vor allem von ihren eigenen Freundinnen – gemobbt und beschimpft. Ich sprach erst mit den Erzieherinnen, später mit den Lehrerinnen. Natürlich waren alle gegen Beleidigungen (zB wenn mal wieder ein Junge in der Schule sagte „Von der Fetten nehme ich kein Arbeitsblatt an“ als sie Austeil-Dienst hatte). Aber sensibilisiert für die Auswirkungen, die das hat, war niemand („Die Kinder sind halt alle sehr unhöflich in der Klasse“). Und das Mobbing ging weiter.

Starke Frauen werden aus starken Mädchen gemacht

Ich bin Feministin. Ich will das nicht. Ich will nicht zusehen wie meine Tochter ihren Körper mehr und mehr hasst. Ich will nicht, dass sie ess- oder magersüchtig wird, sich ständig für ihren Körper schämt, sich von Jungs später mies behandeln lässt, weil sie froh ist überhaupt einen abzubekommen.
So wie es bei mir war.

Gleich Sein

Und jetzt steht sie vor mir halb noch in ihrem Jumpsuit, halb im Schlafanzug steckend und beginnt zu weinen „Ich möchte auch endlich mal dünn sein.“ Und innerlich weine ich mit und schluchze „Ja ich auch“.
Aber äußerlich bleibe ich tapfer. Wir kuscheln, ich streichle ihren Bauch, ich zeige ihr meinen Bauch und erzähle ihr, dass es der beste Bauch der Welt ist, weil sie darin gewohnt hat.

Selbsthass zieht sich durch dick & dünn

Doch sie zu trösten bleibt schwer. Ich denke an ihre „Freundinnen“, die fast alle nicht nur dünn sondern sehr dünn sind. Ob sie ihren Körper lieben können, weil Fat-Shaming sie nicht trifft? Wenn das so wäre, warum haben sie es dann nötig ihre eigene Freundin zu beleidigen? Svea isst. Denke ich. Das ist es. Die anderen sind neidisch. Und auch unglücklich. Da ist Mia, die seit der Einschulung auf ihre Brote keine Butter mehr bekommt – Butter und Margarine machen fett hat ihre Mutter ihr gesagt. Da ist Julia, die angeblich keine Süßigkeiten mag – ihr Vater hat ihr neulich gesagt: „Gottseidank bist du nicht so fett wie Leni, dann müsstest du Diät machen.“ Und Charlotte bekommt als Nachtisch oder zu Kaffee & Kuchen am Sonntag immer nur Karotten. Außerdem macht sie fünf Mal die Woche Sport. Jolinas Mutter sieht man nie essen. Jolina erzählt, dass sie nach dem Essen auf den Stepper geht.
Alle Mädchen sind 7.

Schulterschluss

Liebe Eltern, ich brauche Euch hier an dieser Front! Ich kann meiner Tochter nicht allein ein positives Verhältnis zu ihrem Körper vermitteln. Ich kann nicht allein gegen Medien, Kinder, Kita/Schule, Werbung, Barbie und andere Eltern kämpfen. Bitte nehmt Eure Kinder so an wie sie sind! Macht keine Diäten mit Euren Töchtern! Erst recht nicht prophylaktisch. Lebt Euren Kindern eine positive Einstellung zum eigenen Körper vor! Und bitte sagt ihnen, dass es nicht ok ist, andere zu beleidigen, über andere (Körper) abfällig zu sprechen oder andere Menschen (aufgrund ihres Gewichts) auszugrenzen und zu diskriminieren! Ich schmiere Euren Töchtern dafür gerne ein Butterbrot!