Verrechnet?

Die Zahl der freiberuflichen Beleghebammen nimmt in Deutschland immer weiter ab. Grund dafür sind die unterirdischen Arbeitsbedingungen und die mangelhafte Finanzierung der Geburtshilfe. Und auch viele Kreißsäle sind dem Rotstift zum Opfer gefallen. In den letzten 13 Jahren wurden fast 30 % der Entbindungsstationen geschlossen. Gleichzeitig ist die Geburtenrate seit 1994 um 21 % gestiegen.

 

Alleingelassen

Schwangere fragen sich schon länger wie sie die weiter entfernte Klinik erreichen, wo sie eine Hebamme für die Geburt oder die Nachsorge herbekommen und wie sie verhindern können bei einer Geburt die meiste Zeit allein gelassen zu werden. Denn die Klinikhebammen müssen meist mehrere Geburten gleichzeitig betreuen, sind zuständig für die Dokumentation, müssen Materialien holen und bereitlegen und sogar den Kreißsaal putzen. Von 60 Minuten Geburtszeit sieht die Schwangere ihre Hebamme also lediglich wenige Minuten. Immer wieder werden Schwangere vor der Kreißsaaltür abgewiesen, werden während der Presswehen allein gelassen oder müssen sogar im Kreißsaal ihr Kind allein gebären.

 

Die Bilanz: außen hui, innen pfui!

Die Politik ist leider auf beiden Ohren taub und ignoriert noch immer erfolgreich die Proteste, Demonstrationen und Petitionen der Eltern und Hebammen. Es ist längst klar: man will die Geburtshilfe einfach nicht menschlicher gestalten und die Arbeitsbedingungen der Hebammen verbessern. Geburtshilfe soll am besten möglichst billig sein – wie sich die Mütter, Babys und Väter auf diesem Geburts-Fließband fühlen ist uninteressant. Dass eine schlechte Geburtshilfe am Ende auch eine verdammt teure ist, weil sie ohne Ende Folgekosten produziert – egal. Hauptsache die Zahlen auf dem offiziellen Papier sehen gut aus. Wen interessieren schon die Kosten, die verursacht werden von posttraumatischen Belastungsstörungen (auch bei den Hebammen), Wochenbettdepressionen (auch bei den Vätern), Stillproblemen, Bindungsstörungen, KISS-Syndrom, ADHS & Co.?

Die Geburtshilfe, die sich Deutschland leistet, ist nicht billig. Sie ist verdammt teuer.

 

Gewalt im Kreißsaal: ein überteuertes kulturelles Branding

Unabhängig vom ökonomischen Aspekt ist diese Form der Geburtshilfe aber auch gefährlich. Denn sie ist mit ihren ganzen unnötigen Interventionen, den Übergriffen und Grenzüberschreitungen frauenverachtend, respektlos und gewaltsam. Die Art und Weise wie Frauen und Babys unter der Geburt behandelt werden schreibt sich tief in ihre Seelen und Körper ein. Eine gewaltvolle und würdelose Geburtshilfe muss also dazu führen, dass Frauenfeindlichkeit weiter tradiert wird.  Sie provoziert einen Blick auf den weiblichen Körper, der ihn zum Objekt macht, zur Hülle für das werdende Leben. Frauen werden damit entmenschlicht. Gewalt gegen Frauen findet nicht nur während der Geburt statt. Gewalt gegen Frauen wird im Kreißsaal verharmlost und uns von Geburt an als kulturelles Branding mit auf den Lebensweg gegeben. Ohne eine gewaltfreie, frauen- und kinderfreundliche Geburtshilfe werden Frauen niemals gleichberechtigt leben können.

 

Auch deshalb können wir uns diese Geburtshilfe nicht leisten.